Müßen wir Freiheit begründen?
Genau mit dieser Frage hat sich der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Roland Vaubel
beschäftigt – Freiheit ist nicht der ursprüngliche Naturzustand der Menschheit – Aber sie
ist im gemeinsamen Interesse der einzelnen Menschen – Das klassische Freiheitsziel
entspricht dem Selbstbestimmungsprinzip.
Das Streben nach Freiheit ist uralt, und das Streben nach Freiheit bleibt ewig jung. Freiheit zu unterdrücken, leider ebenso. Sie als selbstverständlich zu nehmen, wenn man sie hat, und sie nicht zu verteidigen, wenn ihr Gefahr droht, ebnet der Unterdrückung den Weg. Deutschland befindet sich schon seit Jahren auf diesem Weg. Im Drang zu vieler Bürger nach mehr Staat und umfänglicher (auch sozialer) Sicherheit wird immer mehr Freiheit zu Schanden geritten und kommt auf schleichende Weise abhanden. Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren. Stets ist die Freiheit gefährdet, daher ist sie ständig zu verteidigen. Was wir in Deutschland an Freiheit noch haben, ist längst weniger, als wir an Freiheit schon einmal hatten. Aber Freiheit ist notwendig. Das bedarf der Begründung.
Freiheit ist nicht der ursprüngliche Naturzustand der Menschheit, sie muss organisiert
werden.
„Muss man Freiheit begründen? Ist Freiheit nicht etwas ganz Selbstverständliches und
Natürliches?“ Mit dieser Frage hat sich der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Roland Vaubel
beschäftigt.*). Ich gebe hier in Auszügen seinen Vortrag „Zur Begründung der Freiheit“ wieder,
den er am 15. Juni 2019 bei den Hayek-Tagen in Wien gehalten hat, veranstaltet von der
deutschen Friedrich-August-von-Hayek-Gesellschaft. Die Zwischenüberschriften sind (mit
wenigen Ausnahmen) von mir eingefügt. Professor Vaubel beginnt mit der Feststellung:
„Freiheit ist nicht der ursprüngliche Naturzustand der Menschheit. Der Naturzustand ist die
Anarchie. In der Anarchie ist die Freiheit des Einzelnen nicht geschützt. Insofern ist Freiheit
nichts Natürliches. Sie muss organisiert werden.“
Freiheit ist nur dann vernünftig, wenn sie einem Zweck dient
Man könne, so Vaubel, die Notwendigkeit einer Begründung auch nicht dadurch aus der Welt
schaffen, dass man die Freiheit zum Naturrecht erkläre. Denn wer dies tue, müsse darlegen,
weshalb das Recht auf Freiheit natürlich und vernünftig sei. Freiheit sei nur dann vernünftig,
wenn sie einem Zweck diene. Die Forderung nach Freiheit müsse mit diesem Zweck begründet
werden. Aber die Freiheit könne – ohne jede Wertung – insofern natürlich sein, als sie einer
natürlichen Auslese – der Evolution – entspringe.
Zeigen, dass die Freiheit im gemeinsamen Interesse der einzelnen Menschen ist
Nach einigen Anmerkungen zur natürlichen Auslese und zur Moraltheorie, wie sie Friedrich
August von Hayek und David Hume behandeln, kommt Vaubel zunächst zu einem
Zwischenergebnis:
„1. Die natürliche Auslese der Evolutionstheorie ist keine Begründung – d. h. Rechtfertigung –
der Freiheit, sondern nur eine mögliche Erklärung der Freiheit.
2. Wir müssen unseren Wunsch nach Freiheit moralisch begründen.
3. Wir können dabei nur erfolgreich sein, wenn wir zeigen, dass die Freiheit im gemeinsamen
Interesse der einzelnen Menschen ist, d. h., dass die freiheitliche Ordnung in der Regel und
langfristig günstiger als a) die Anarchie und b) die staatliche Bevormundung ist.
4. Wenn unterstellt wird, dass jeder Mensch sein Interesse erkennt, so kann man auch sagen:
wir müssen zeigen, dass sich die Menschen in einem fiktiven Gesellschaftsvertrag auf die
freiheitliche Ordnung einigen könnten.